Umfrage: Direktvermarkter für erneuerbaren Strom hatten es 2022 schwer

Eine aktuelle Umfrage, die das Internetportals Montelnews.com machte, zeigt auf, dass es die Direktvermarkter von deutschem erneuerbarem Strom im Jahr 2022 recht schwer hatten. Das Portal, das Nachrichten, Hintergründe und Daten zum Energiemarkt weltweit bietet, nennt mit seiner Umfrage die wichtigsten Gründe dafür und liefert einen Ausblick auf das laufende Jahr 2023 – für das der eine oder andere Direktvermarkter trotz der Widrigkeiten des zurückliegenden Jahres Wachstum ankündigte.

Was ist ein Direktvermarkter? (Begriffserklärung, Definition)

Ein Direktvermarkter ist ein Verkäufer, der sein Produkt direkt, also unmittelbar verkauft. Damit ist zum Beispiel ein Landwirt ein Direktvermarkter, der die Früchte seiner Landwirtschaft direkt auf dem Wochenmarkt an die Wochenmarktbesucher verkauft.

Damit unterscheidet sich die Direktvermarktung, die der Landwirt als Direktvermarkter im Beispiel betreibt, von der Vermarktung, wie sie ein Supermarkt praktiziert: Der kauft landwirtschaftliche Produkte unter anderem von Landwirten der Region auf und verkauft diese zentral im Ladengeschäft.  

Was ist ein Direktvermarkter für erneuerbaren Strom? (Begriffserklärung, Definition)

Auf dem Markt für erneuerbaren Strom sei dieser laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) lange Zeit gemäß dem Supermarktbeispiel gehandelt worden. Betreiber von erneuerbaren Stromerzeugungsanlagen aus Windenergie, Solarenergie (Photovoltaik) oder Biomasse hätten ihren erneuerbaren Strom demnach an die sogenannten Betreiber von Übertragungsnetzen (auch Übertragungsnetzbetreiber, kurz: ÜNB) geliefert. Dafür habe es für die Stromerzeuger eine Vergütung gegeben, die die Kosten gedeckt habe.

Für die Vermarktung an der Strombörse sei dann der jeweilige ÜNB zuständig gewesen. Der Strom sei von Energieversorgern gekauft und von diesen an die Endverbraucher geliefert worden. Die Differenz zwischen Vergütung und ÜNB-Verkaufserlösen ergeben habe, sei als sogenannte EEG-Umlage auf sämtliche Stromverbraucher umgelegt worden.

Was ist Direktvermarktung von erneuerbarem Strom? (Crashkurs)


Im Jahr 2012 habe Deutschland dann die Direktvermarktung bei erneuerbarem Strom eingeführt. Anfangs als Option (freiwillig), ab dem Jahr 2014 als Pflicht, wobei diese Pflicht an die Anlagengröße (Nennleistung) gebunden wurde: Derzeit unterlägen laut BMWK erneuerbare Stromerzeugungsanlagen ab 100 Kilowatt (kW) der Direktvermarktungspflicht.

Das heißt, dass hierzulande die Betreiber der Anlagen ihren Strom seit nunmehr zehn Jahren nicht mehr an den Übertragungsnetzbetreiber verkaufen dürfen, sondern ihn stattdessen selbst an der Strombörse vermarkten müssen. Alternativ können sie mit diesem Job auch einen speziellen Dienstleister beauftragen: den sogenannten Direktvermarkter für erneuerbaren Strom, der erlösoptimiert und professionell handle. Darüber hinaus gelte, dass eine freiwillige Direktvermarktung grundsätzlich für alle Anlagen möglich sei, ganz gleich, in welchem Betriebsmodus sie laufen würden und welche Leistung installiert sei.

Das BMWK erklärt, dass sich diese Vorgehensweise durchaus rechne: Der Anlagenbetreiber (Stromerzeuger) bekäme demnach seine Vergütung vom Direktvermarkter. Der übernähme den Stromverkauf an der Strombörse. Wichtig: Weil die an der Strombörse zu erzielenden Erlöse meist nicht zur Refinanzierung der Anlagen genügen würde, gäbe es die extra Marktprämie. Die gleiche nämlich den Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Börsenpreis und dem sogenannten anzulegenden Wert aus. Dieser Wert entspreche laut BMWK der festen staatlichen Vergütung. Er werde jedoch nicht mehr administrativ, sondern per Ausschreibungen ermittelt.

Und so zahle der Direktvermarkter dem Anlagenbetreiber einen Betrag, der aus Börsenerlös und Marktprämie resultiere. Wobei der Direktvermarkter davon aber noch seine Provision abziehe.

Da man zum Berechnen der Marktprämie den durchschnittlichen monatlichen Börsenstrompreis heranziehe, lasse sich mit einer strategisch geschickten Direktvermarktung sowie Auslegung der Stromerzeugungsanlage mehr Geld erwirtschaften als mit der staatlichen Vergütung. Strategisch geschickt meine in diesem Zusammenhang beispielsweise, dass bei großer Nachfrage nach Strom an der Börse und daraus resultierenden hohen Strompreisen derjenige die Nase vorn habe, der seinen Strom genau zu diesem Zeitpunkt verkaufe. Umgekehrt verdiene weniger, wer seinen Strom bei Börsenstrompreisen verkaufe.

Das BMWK stellt die Vorteile der Direktvermarktung so heraus: Erstens übernähmen damit die  Betreiber von Anlagen zur erneuerbaren Stromerzeugung die gleiche Verantwortung wie Betreiber konventioneller Kraftwerke: Sie würden demnach ihre Produktionsmenge verlässlich im Voraus zusagen und hätten den Anreiz, ihre Stromproduktion an die Nachfrage anzupassen, beispielsweise mit einer Abregelung oder Drosselung ihrer Anlage bei sogenannten negativen Preisen. Somit trügen sie zu einem stabilen Stromnetz bei und stellten die Stromversorgung im Land mit sicher.

Nach diesem Crashkurs in Sachen Direktvermarkter von erneuerbarem Strom und Direktvermarktung von erneuerbarem Strom zurück zur eingangs erwähnten Umfrage unter den deutschen Direktvermarktern.

Hohe Kosten belasten Direktvermarkter von erneuerbarem Strom

Zwei Gründe nennt das Portal Montelnews.com dafür, dass das Geschäft der Direktvermarkter von erneuerbarem Strom im vergangenen Jahr schwierig war:

  1. eine hohe Volatilität im Markt, das heißt, die Preise an der Strombörse schwankten stark, die Preiskurve zeigte entsprechende Ausschläge
  2. hohe Preise

In ihrem zugehörigen Bericht lassen die Energiemarktanalysten von Montel verschiedene Marktakteure, allen voran die Direktvermarkter, zu Wort kommen, um die Entwicklungen im Jahr 2022 zu beschreiben und zu bewerten.

Höhere Handelskosten bei der Direktvermarktung

So sagte Thomas Krings dem Portal, dass das deutlich gestiegene Strompreisniveau für Direktvermarkter von Strom aus Erneuerbaren Energien „erhebliche, leider negative Auswirkungen“ gehabt hätte. Der Geschäftsführer des Direktvermarkters Quadra Energy – laut Montelnews.com ein Tochterunternehmen des Windturbinenherstellers Enercon und mit einem Direktvermarktungsportfolio von 8.650 Megawatt (MW) die Nummer drei der größten deutschen Vermarkter von mit einer Marktprämie geförderten Anlagen unter den Teilnehmern der Direktvermarkter-Umfrage – wies zudem darauf hin, dass schon geringe Abweichungen vom prognostizierten Wetter (und damit Solarertrag der Erzeugungsanlagen), die das Unternehmen im Zuge der Direktvermarktung 2022 Tag für Tag hätte ausgleichen müssen, deutlich mehr Kosten verursacht hätten.

Gleichzeitig wäre es zu sogenannten Verwerfungen am Intraday-Markt gekommen, weil sich die Preise für Ausgleichsenergie fundamental erhöht hätten.

Mit dem Begriff Intraday-Markt ist das stete Kaufen und Verkaufen von erneuerbarem Strom an der Börse gemeint, der noch am gleichen Tag geliefert wird. Deshalb spricht man dann von kurzfristigem Stromgroßhandel, vor allem, um diesen begrifflich vom dem Stromhandel abzugrenzen, der mit längeren Vorlaufzeiten am Terminmarkt stattfinde.

Krings fasst zusammen, dass diese Entwicklungen insgesamt dazu geführt hätten, dass sich die Handelskosten im Rahmen der Direktvermarktung abhängig vom Strompreisniveau für die Direktvermarkter spürbar erhöht hätten.
 
2022 brachte Veränderungen im Ranking der Marktführer

Laut der Umfrage habe sich das Ranking der Direktvermarkter für deutschen erneuerbaren Strom im Jahr 2022 verschoben:

Das mit 10.710 MW größte Portfolio in der Marktprämien-Direktvermarktung hätte demnach der Direktvermarkter ENBW zu verbuchen gehabt (Stand: Januar 2023). Das Unternehmen mit Sitz in Karlsruhe hätte zum Jahreswechsel einen Portfoliozuwachs von 3.000 MW verzeichnen und die vormalige Nummer eins Statkraft als Marktführer ablösen können. Das Portfolio des norwegischen Energieversorgers sei laut dem Bericht von Montelnews.com um 1.875 auf 9.200 MW geschrumpft.

Die Frage, warum ENBW sein Portfolio dermaßen habe vergrößern können, beantwortete Robert Schmidt, Originator Erneuerbare Energien bei ENBW in der Umfrage. Ihm zufolge hätten andere Anbieter Direktvermarktungsverträge aufgekündigt – und infolgedessen si die Nachfrage gestiegen.

Das Unternehmen Statkraft erklärte in der Umfrage, dass die zum Jahreswechsel verzeichneten Portfolioverluste mit den gestiegenen Vermarktungskosten verbunden seien. Insbesondere wären dafür demnach zwei Kostenfaktoren verantwortlich: einerseits die sogenannten Balancing-Kosten beziehungsweise Ausgleichsenergiekosten und andererseits die Marktwertdifferenz (siehe oben: Crashurs). Diese hätten dafür gesorgt, dass die Kosten bei den Direktvermarktern schon seit Oktober gestiegen seien, weil sich die Strompreise am Spotmarkt erhöht hätten.

Veränderungen im Risikomanagement: Aus Statik wird Dynamik

Das sei auch der Grund für Statkraft gewesen, die Risikoaufschläge von einer statischen auf eine dynamische Prämie umzustellen, erklärte Judith Tranninger in der Montal-Umfrage. Sie ist die Sprecherin der Deutschland-Tochter des norwegischen Mutterkonzerns. Das Umstellen auf eine dynamische Risikoprämie lasse Tranninger zufolge zu, dass man den höheren Anforderungen an das unternehmerische Risikomanagement Rechnung tragen könne.

Kündigungen bewegten 2023 die komplette Direktvermarkterbranche

Auch andere Direktvermarkter hätten 2022 ähnlich wie Statkraft auf die Marktentwicklungen reagiert, schreibt Montelnews.com weiter. Diese Beobachtung teilte demnach auch Amani Joas, der voriges Jahr das Handelshaus CF Flex Power in Hamburg mitgegründet habe. Er hätte im Interview zur Umfrage berichtet, dass zu beobachten gewesen sei, dass viele Anbieter in der Direktvermarkterbranche versucht hätten, Verträge zu kündigen und gegebenenfalls neu zu verhandeln. Dabei äußerte Joas auch Bedenken: Ihm zufolge müssten sich die Direktvermarkter glücklich schätzen, die 2022 aus alten Verträgen hätten aussteigen können – denn die mit den Verträgen zusammenhängenden Kosten hätten sich in dem Jahr schließlich vervielfacht.

CF Flex Power habe in der Montel-Umfrage angegeben, dass sich das derzeitige Direktvermarktungsportfolio auf ein 110 MW belaufe. Zugleich hätte der Jamburger Direktvermarkter für erneuerbaren Strom das Vorhaben geäußert, im laufenden Jahr deutlich wachsen zu wollen. Das Portal Montelnews-com zitiert Amani Joas in seinem Bericht mit den Worten: „Wir sind noch ein bisschen kleiner als wir es anfangs gedacht hatten.“ Demnach hätte sich der Hamburger Direktvermarkter das Ziel gesetzt, bis Ende 2023 bei etwa 600 MW als Direktvermarktungsportfolio zu liegen. Dass das in durchaus realistisches, also machbares Ziel sei, begründete Joas damit, dass das Direktvermarktungsbusiness infolge der veränderten Marktsituation inzwischen risikoreicher sei, doch zugleich böten sich damit in Abhängigkeit des von ihnen verfolgten Ansatzes auch neue Chancen für die Marktanbieter.

Joas führte weiter aus, dass es einen Unterschied mache, ob es darum gehe, lediglich bestimmte Positionen zu schließen, häufig auch mittels eines voreingestellten Algorithmus, oder ob ein Direktvermarkter einen aktiven, strategischen Handel betreibe. Joas zufolge würden sich Trading-Desks mit einem eher aktiven Ansatz eher an Volatilitäten erfreuen – und hätten wahrscheinlich ein besseres Jahr 2022 gehabt.

Zubau der Erneuerbaren führt zu Wachstum

Fakt sei laut Montel, dass der von der deutschen Bundesregierung geplante Zubau an Erneuerbaren Energien allgemein dazu führen werde, dass auch der Kuchen, den die Direktvermarkter unter sich verteilen könnten künftig größer werde. So solle die deutsche Photovoltaikkapazität bis zum Jahr 2030 auf 215 Gigawatt (GW) erhöht werden – derzeit liege sie bei 65,5 GW. Von diesen sei mit Stand Februar etwa ein Drittel in der Direktvermarktung über die Marktprämie, schrieben die Montel-Analysten.

Das wüssten selbstverständlich auch die Direktvermarkter: Wegen des zunehmenden Ausbaus der Enerneuerbare-Energie-Anlagen (EE-Anlagen) rechne beispielsweise Nicole Teschauer von Baywa Re mit einem wachsenden Portfolio. Und auch der Direktvermarkter Trianel hätte sich laut Montelnews.com im vergangenen Jahr konservativ ausgerichtet. Zumindest sagte das die Unternehmenssprecherin Nadja Thomas. Zudem erklärte sie, dass ihr Unternehmen davon ausgehe, dass es im Jahr 2023 wieder ein Wachstum geben werde.

Der Direktvermarkter Danske Commodities hätte laut Montel in der Umfrage die Erwartung geäußert, dass die vor allem vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelösten Turbulenzen auf den europäischen Energiemärkten im laufenden Jahr etwas abebben würden. Der Direktvermarkter erwarte demnach, dass die Marktvolatilität im Vergleich zu 2022 leicht abnehmen werde, die Preisniveaus jedoch zugleich relativ hoch blieben.

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